Selbsthilfe ist gelebte Solidarität und Teilhabe

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25.10.2022

Über die Selbsthilfe, deren Formen und Zukunft in Deutschland. Von Romy Kauß.

„Wenn wir im Paritätischen über Selbsthilfe sprechen, meinen wir i.d.R. die Gemeinschaftliche Selbsthilfe. In diesem Zusammenhang bedeutet der Begriff Selbsthilfe, Anliegen oder Probleme und deren Lösung selbst in die Hand zu nehmen und im Rahmen der eigenen Möglichkeiten gemeinsam mit anderen Menschen aktiv zu werden!“ (Paritätischer Gesamtverband)

Darüber hinaus gibt es auch die individuelle Selbsthilfe, die vornehmlich der eigenen Person gilt.

Selbsthilfegruppen sind die häufigste Form der gemeinschaftlichen Selbsthilfe. In ihnen finden sich Menschen zusammen, die in einer ähnlichen Lebenssituation sind. Auch Angehörige von Betroffenen organisieren sich in Selbsthilfegruppen.

Gruppenziele können beispielsweise die Krankheits-/Lebensbewältigung, der Erwerb von Wissen, die Verbesserung der Akzeptanz im Umfeld sein. Zudem kann schon das Gemeinschaftsgefühl in der Gruppe positiv auf die Beteiligten wirken.

Nach Schätzungen der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle
zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS) gibt es in Deutschland „etwa 70.000 bis 100.000 Selbsthilfegruppen mit rund 3 Millionen Betroffenen oder Angehörigen“ (NAKOS, Zahlen und Fakten, 2020)

Finanzierung der Selbsthilfe

Auf Basis des Sozialgesetzbuches V (§20h) wird die gesundheitsbezogene Selbsthilfe durch die Krankenkassen gefördert. Der Richtwert liegt 2022 bei 1,19 Euro pro versicherter Person. Das entspricht bundesweit insgesamt rund 87 Millionen Euro. Die Mittel können für verschiedene Aktivitäten der Selbsthilfe beantragt werden.

Warum sich Menschen mit gleicher Betroffenheit zusammenschließen und austauschen:

  1. Weil sie das Gefühl haben nicht allein zu sein
  2. weil sie über Probleme sprechen können
  3. weil sie von Erfahrungen der anderen profitieren
  4. Weil sie lernen die eigene Erkrankung zu bewältigen
  5. Weil sich Teilnahme positiv auf Familie und Partnerschaft auswirkt
  6. Weil sie sich subjektiv weniger belastet fühlen

Es ist ziemlich sicher, dass Selbsthilfe an Bedeutung zunehmen wird.

Gründe:

1 >>> Demografiebedingt wird sich das deutsche Gesundheitswesen in den kommenden zehn bis 20 Jahren grundlegend ändern. Deutlich mehr ältere Menschen werden aufgrund von Krankheit und Pflegebedürftigkeit auf die Hilfe von anderen Menschen angewiesen sein. Das professionelle Gesundheitssystem kommt bereits jetzt an seine Grenzen (wir alle hören regelmäßig vom Abbau von Intensivbetten, Schließung von Krankenhäusern, Fachkräftemangel).

 Es steht ein Umbruch hervor, der dazu führen wird, dass die ergänzenden ehrenamtlichen und bürgerschaftlichen Hilfestrukturen deutlich an Bedeutung gewinnen. Selbsthilfe wird  einen wesentlichen Beitrag leisten, um Menschen im Umgang und bei der Bewältigung von Erkrankung und Beeinträchtigung zu unterstützen und zu begleiten.

2. >>> viele Stellen für Hausärzte sind unbesetzt geblieben - Sachsen-Anhalt ist besonders stark betroffen. Bundesweit konnten 5,9 Prozent der geplanten Plätze für Niederlassungen nicht vergeben werden. In Sachsen-Anhalt waren es zuletzt 10,4 Prozent

3. >>> Schon 2020 gab es 16 Mio Single Haushalte in Deutschland. Das Thema Vereinsamung wird weiter zunehmen und auch hier ist ein Zusammenfinden in Gruppen, nicht aus einem Krankheitsbezug heraus sondern vielmehr aus sozialen Gründen, ein mögliches Angebot.

4. >>> Mit einem Durchschnittsalter von 47,9 Jahren hatte Sachsen-Anhalt 2019 die bundesweit älteste Bevölkerung. Hinzu kommt das Thema der Multimorbidität, welches ebenfalls Grund sein kann sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen.

Fazit:

Der Mensch ist ein soziales Wesen. Er braucht den Austausch und das gemeinsame Miteinander für Wohlbefinden, Glück und Zufriedenheit. Die Angebote, die wir jetzt im Bereich der Selbsthilfe vorhalten, werden in den nächsten Jahren zu deutlich mehr Nachfragen führen. Dafür brauchen wir eine gute Ausstattung der strukturellen Ebene (Ehrenamt braucht Hauptamt!), also eine verlässliche und auskömmliche Finanzierung sowie gut qualifizierte und motivierte Mitarbeitende.

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https://youtu.be/yeAvZwk5gxU

Zum Video: Vom 03. bis 11. September 2022 fand zum zweiten Mal die Aktionswoche Selbsthilfe statt. Der Paritätische Gesamtverband lud dazu alle Gruppen, Organisationen und Kontaktstellen der Selbsthilfe innerhalb und außerhalb des Paritätischen ein, sich an der Aktionswoche zu beteiligen. Unter dem Motto “Wir hilft” fanden bundesweit knapp 300 Veranstaltungen zum Thema Selbsthilfe statt, die vor Ort, digital oder hybrid die Vielfalt in den Angebote der Selbsthilfe aufzeigten.