Arbeitsmarktpolitik mit der Abrissbirne – Sparbeschlüsse und Instrumentenreform gefährden Eingliederung von Langzeitarbeitslosen

12.09.2011

Die drastischen Kürzungen der Bundesregierung im Bereich der aktiven Arbeitsmarktförderung hat bereits im laufenden Jahr 2011 für dramatische Einbrüche bei den Eingliederungsleistungen im SGB II geführt. Es zeichnet sich eine Zweiteilung im Arbeitsmarkt ab: trotz positiver Entwicklung der Arbeitslosenzahlen im Bereich des SGB III und schneller Vermittlung der Personengruppen im ALG I-Bezug, gibt es nach wie eine hohe Sockelarbeitslosigkeit bei Menschen mit mehrfachen Vermittlungshemmnissen.

Die drastischen Kürzungen der Bundesregierung im Bereich der aktiven Arbeitsmarktförderung hat bereits im laufenden Jahr 2011 für dramatische Einbrüche bei den Eingliederungsleistungen im SGB II geführt. Es zeichnet sich eine Zweiteilung im Arbeitsmarkt ab: trotz positiver Entwicklung der Arbeitslosenzahlen im Bereich des SGB III und schneller Vermittlung der Personengruppen im ALG I-Bezug, gibt es nach wie eine hohe Sockelarbeitslosigkeit bei Menschen mit mehrfachen Vermittlungshemmnissen. Oftmals sind diese Menschen seit Jahren arbeitslos und gering bzw. gar nicht qualifiziert. Bundesweit beträgt die Zahl etwa 800.000 Personen, davon sind ca. 400.000 Menschen seit Einführung des SGB II im Jahr 2005 ununterbrochen von staatlicher Hilfe abhängig. Diese Entwicklung wird von der Bundesregierung anscheinend ignoriert und nur der Erfolg des Konjunkturaufschwungs positiv „verkauft“.  Im Gegenzug wurde das Budget der Eingliederungsleistungen für ALG II – Bezieher um 25% gekürzt.

Bundesweit haben diese Kürzungen dazu geführt, dass es 37% weniger öffentliche Beschäftigungsangebote im Vergleich zum letzten Jahr gibt. Die Zahl der Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwands- entschädigung hat sich um ein Drittel reduziert (von 285.000 auf 172.000). Das bedeutet, dass vielen langzeitarbeitslosen Menschen eine Chance auf soziale und berufliche Teilhabe bzw. Integration verwehrt bleibt. Hinzu kommt, dass damit die vorhandenen Strukturen der Beschäftigungsunternehmen und erfahrenen Träger von Eingliederungsmaßnahmen massiv in ihrer Existenz bedroht sind. Der PARITÄTISCHE hat dies mit einer aktuellen bundesweiten Umfrage unter Trägern und Projekten belegt und einen Atlas der Kürzungen erstellt. Stammkräftepersonal musste abgebaut werden- hiervon sind insbesondere kleinere Träger betroffen. Auch weitere Rahmenbedingungen haben sich verschlechtert z.B. die Trägerpauschalen. Es muss damit gerechnet werden, dass in einzelnen Regionen die Strukturen zur qualifizierten Betreuung von Langzeitarbeitslosen nicht mehr aufrecht erhalten werden können.    

Unterstützungsleistungen in bestimmten Arbeitsmarktkontexten

Die geplante Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente wird die Situation weiter verschärfen. Mit dem sog. „Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt“, das im Herbst im Bundestag beraten werden soll, wird der Bereich der öffentlich geförderten Beschäftigung regelrecht ausgehöhlt. Das Gesetz soll aus Sicht des Gesetzgebers der Leistungssteigerung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente dienen. Diese werden reduziert und neu geordnet.

  • Beratung und Vermittlung
  • Aktivierung und berufliche Eingliederung
  • Berufswahl und Berufsausbildung 
  • Berufliche Weiterbildung
  • Aufnahme einer Erwerbstätigkeit 
  • Verbleib in Beschäftigung 
  • Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben         

Grundsätzlich ist eine Reduzierung bzw. Neuordnung der Instrumente zu begrüßen. Diese sind bis dato sehr stark maßnahmeorientiert und für die unterschiedlichen Unterstützungsbedarfe der Menschen nicht genügend „passgenau“.

Aus Sicht des PARITÄTISCHEN müssen sich die Förderinstrumente im SGB II stärker von denen der Arbeitsförderung im SGB III unterscheiden: längerfristige Förderungen, die langzeitarbeitslosen Menschen helfen, schrittweise Integrationsfortschritte zu erzielen und die oftmals komplexen  Probleme (Sucht, Schulden usw.) zu bearbeiten. Die Förderung muss individueller und zielorientierter ausgestaltet werden, d.h. konsequenter entlang einer individuellen Integrationsstrategie mit daraus abgeleiteter Zielausrichtung. Die Eingliederungsstrategie würde dann nicht mehr danach bestimmt, ob die Person bestimmte Voraussetzungen erfüllt, sondern die Maßnahme wird danach ausgewählt, ob damit ein individuelles Ziel für die jeweilige Person erreicht werden kann.      

Diesem Anspruch wird der Gesetzentwurf leider nicht gerecht. Längerfristige Beschäftigungsangebote, die bisher auf der Grundlage des Beschäftigungszuschusses gem. § 16e SGB II möglich waren, werden deutlich eingeschränkt. Die beabsichtigte Beschränkung der Arbeitsgelegenheiten (16d SGB II) auf ausschließlich zusätzliche, wettbewerbsneutrale Tätigkeitsfelder ist völlig kontraproduktiv. Auch für diesen Bereich ist eine weitere deutliche Reduzierung der Maßnahmen vorgesehen. Erforderlich sind jedoch marktnahe Tätigkeitsfelder mit qualifizierenden und sinnstiftenden Tätigkeiten. Weiterhin lehnt der PARITÄTISCHE gesetzliche Vorgaben zur Kürzung und Festschreibung der Maßnahmekostenförderung (Trägerpauschalen) ab. Die niedrigen Pauschalen werden es zukünftig unmöglich machen, eine Arbeitsgelegenheit als Förderinstrument mit qualifizierenden Inhalten und sozialpädagogischer Begleitung auszugestalten.

Wesentliche Änderungen im SGB III und II

  • Aktivierung und berufliche Eingliederung § 45 SGB III
  • Neue Anforderungen an Trägerzulassungen (AZWV) § 176 ff SGB III
  • Arbeitsgelegenheiten § 16d SGB II 
  • Förderung zusätzlicher Arbeitsverhältnisse §16e SGB II (Zusammenlegung von Beschäftigungszuschuss und AGH-Entgeltvariante)

Arbeitsmarktpolitischer Aufruf fordert Rücknahme der Sparbeschlüsse und Kurskorrektur der Bundesregierung

Unter dem Stichwort „Arbeitsmarktpolitik für alle!“ fordern Fachleute der deutschen Arbeitsmarkt –und Sozialpolitik aus Verbänden, Gewerkschaften  und Hochschulen die Bundesregierung zur arbeitsmarktpolitischen Umkehr auf.

Sie fordern

  • eine Rücknahme der Sparbeschlüsse in der Beschäftigungsförderung
  • mehr Handlungsspielräume der Jobcenter vor Ort
  • mehr sinnvolle Beschäftigungsangebote für schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose
  • die rechtliche und finanzielle Absicherung von Beschäftigungsunternehmen.

Bitte unterstützen Sie den Aufruf. Für eine Arbeitsmarktpolitik, die alle mitnimmt und keinen zurücklässt. Sie brauchen dazu lediglich eine Mail mit Namen und Funktion bzw. Organisation an folgende Adresse schreiben: aufruf(at)arbeitsmarktpolitik-fuer-alle.de

Mit dem Aufruf soll Einfluss auf die Beratungen des Bundestages genommen werden. 

Ansprechpartnerin:

Antje Ludwig

Referentin Vorstand/Geschäftsführung und Arbeitsmarktpolitik 
Tel.: 0391- 62 93 505
e-mail: aludwig(at)paritaet-lsa.de   

Antje Ludwig

Landesgeschäftsführerin

Telefon   0391 | 62 93 505
Fax        0391 | 62 93 444
E-Mail     aludwig(at)paritaet-lsa.de