Ganztagsförderung für Grundschulkinder ab 2026

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08.02.2023

LIGA der Freien Wohlfahrtspflege lud zum Fachaustausch mit Wissenschaft, Politik, Verwaltung, Trägern sowie Interessenvertretungen zum Fachforum Ganztag ein

Der Anspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder wird von der Bundesregierung vorangetrieben. Ab 2026 sollen für die ersten Jahrgänge verbindliche Angebote zur Verfügung gestellt werden, die in den Folgejahren stufenweise ausgebaut werden sollen, sodass ab dem Schuljahr 2029/2030 alle Grundschulkinder einen Anspruch auf eine ganztägige Betreuung haben. Sachsen-Anhalt hat bereits heute einen entsprechenden Anspruch auf Ganztagsbetreuung im KiFöG verankert. Hier sind Ganztagsangebote durch den Hort seit Jahrzehnten etabliert, gleichsam gibt es einige wenige Ganztagsschulen, die Kinder im Grundschulalter ganztägig bilden und betreuen.

Die über 80 Teilnehmenden tauschten sich daher beim Fachforum intensiv darüber aus, welche Konsequenzen die bundesweite Debatte über die Einführung des Ganztagsanspruchs für Sachsen-Anhalt haben wird. Was brauchen große Kinder im Ganztag? Welche Erfahrungen konnten wir in den bisherigen Strukturen sammeln, und wie begegnen wir in Sachsen-Anhalt diesen Bedürfnissen schon jetzt und welche Weichen müssen im Zusammenspiel in Sachsen-Anhalt noch gestellt werden?

Zurecht wies Antje Ludwig, Vorstandsvorsitzende der LIGA Sachsen-Anhalt, in ihrem Grußwort daraufhin, dass insbesondere die Freien Träger bisher verlässliche Angebote gewährleistet haben und wichtige Erfahrungswerte sammeln konnten. Daher fordert die LIGA ein, dass eine Weiterentwicklung des Ganztagsförderung nur mit den Trägern gemeinsam entwickelt werden darf, und diese nicht, wie zuletzt beim Bildungsgipfel, außen vorgelassen werden.

Auch die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, Petra Grimm-Benne, wies auf die guten, funktionierenden Strukturen hin, die Sachsen-Anhalt hat. Die Ansprüche der Bundesdiskussion würde Sachsen-Anhalt bereits erfüllen. Gleichzeitig räumte sie ein, dass in der Vergangenheit zu wenig über Qualitäten gesprochen wurde – man dürfe nicht im „Hier und Jetzt“ stehen bleiben. Die zusätzlichen Bundesmittel böten die Möglichkeit, die Bildungslandschaft in Sachsen-Anhalt weiterzuentwickeln. Dazu wolle man auch mit den Trägern im Dialog bleiben.

Für Moritz Eichelmann, Vertreter des Landesschülerrat Sachsen-Anhalt, war es besonders wichtig, dass eine Ganztagsbetreuung in Zukunft auch mehrdimensional gedacht wird. Nicht die Hausaufgabenbetreuung, auch die Eltern- und Sozialarbeit müsste eine wichtige Rolle spielen. Ebenso dürfen die unterschiedlichen Lebensverhältnisse zwischen städtischem und ländlichem Raum nicht ignoriert werden.

Nach der Begrüßung betonte Dr.'in Frauke Mingerzahn, Professorin für Pädagogik der frühen Kindheit, Hochschule Magdeburg-Stendal, in ihrem fachlichen Input "Was brauchen große Kinder?", das bei einer Ganztagsbetreuung nicht die Hausaufgaben im Mittelpunkt stehen sollten, sondern die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder. Nach aktueller Studienlage fühlen diese sich nur wenig im System Schule wohl. Vielmehr wollen große Kinder Erleben und Gestalten. Dafür brauchen sie die notwendigen Freiheiten und gleichzeitig eine pädagogische Begleitung.

Nach einem kurzen Kennenlernen an den gezielt durchmischten Tischen erläuterte Matthias Ritter-Engel, Referent "Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern" beim BMFSFJ, in seinem fachlichen Input noch einmal im Detail der bundesgesetzliche Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung. Die interministerielle Zusammenarbeit zu so einem umfassenden Thema kann als großer Erfolg gesehen werden. Auch die Qualität des Ganztages werde in enger Zusammenarbeit von JFMK und KMK gestaltet und beschrieben werden. Gleichzeitig ist der Anspruch aktuell so ausgelegt, dass innerhalb eines Qualitätsrahmens verschiedene Angebote und Standards in den unterschiedlichen Bundesländern entwickelt werden können. Für Sachsen-Anhalt mit einem bereits etablierten Ganztagsanspruch bietet sich der Vorteil, dass die zusätzlichen Bundesmittel in die Qualitätsentwicklung gelenkt werden. Im Lichte eines sich immer weiter zuspitzenden Fachkräftemangels, und der Bearbeitung durch  zwei Ministerien, sieht Ritter-Engel aber durchaus immense Herausforderungen für Sachsen-Anhalt, die am besten zügig und im Dialog mit allen Beteiligten angegangen werden sollen.

Diese Notwendigkeit sahen auch die Teilnehmenden, insbesondere die Vertreter*innen aus der Praxis. In einer anschließenden Austauschrunde wurde gefragt, was bei der Ganztagsförderung am wichtigsten sei – und die Antwort war eindeutig: Dialog auf Augenhöhe. Das Fachforum konnte dazu bereits einen wesentlichen Beitrag leisten, denn die Diskussionsatmosphäre hielt viele von einer ausgedehnten Mittagspause ab.

Der zweite Teil der Veranstaltung stand ebenfalls ganz im Sinne der Diskussion. Im „Praxisdialog Ganztagsbetreuung“ diskutierten Doreen Haensch (Leiterin Ganztagsgrundschule Johannes Gutenberg Wolmirstedt), Stefanie Schmidt (Hortleiterin eines Hortes der Kita-Gesellschaft Magdeburg), Rebecca Kutz (LIGA Sachsen-Anhalt) und Michael Stage (Programmleitung Serviceagentur Ganztag Sachsen-Anhalt) über die Erfahrungen und Herausforderungen der aktuellen Angebote, aber auch die Notwendigkeiten für die Zukunft. Schnell wurde klar, dass kein System perfekt ist. Insbesondere schlecht finanzierte Angebote und der Fachkräftemangel sind für die Pädagog*innen belastend. Hier müssen erst einmal grundsätzliche Probleme gelöst werden. Einig waren sich die Teilnehmenden, dass bei der (Weiter-)Entwicklung des Ganztagsanspruchs die verschiedenen Systeme nicht gegeneinander ausgespielt werden sollten, sondern die erfolgreichen Strukturen der Horte ebenso eine Berechtigung haben, wie die ersten Erfahrungen in den Ganztagsgrundschulen. Es braucht aber zeitnah eine klare Entscheidung auf politischer Landesebene, damit die Akteur*innen sich entsprechend vorbereiten können. Dafür müssen alle an einen Tisch, und die Bedürfnisse der großen Kinder in den Fokus gerückt werden.

Damit konfrontiert waren zum Ende der Veranstaltung Abgeordnete der demokratischen Fraktionen im Landtag von Sachse-Anhalt. Matthias Redlich (CDU), Nicole Anger (DIE LINKE), Dr. Katja Pähle (SPD), Konstantin Pott (FDP) und Cornelia Lüddemann (Bündnis 90/Die Grünen) waren gefragt, ihre Erkenntnis aus der Tagesveranstaltung zu teilen, und die aus ihrer Sicht die nächsten Schritte anzudeuten. Entsprechend der politischen Pluralität wird auch das Thema Ganztagsbetreuung behandelt. Überein kamen die Abgeordneten aber darin, dass zeitnah ein Dialog mit allen Beteiligten notwendig ist. Dies forderte zum Abschluss auch Antje Ludwig ein, die bereits ankündigte, dass die LIGA Sachsen-Anhalt weiterhin für das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern und die im SGB VIII garantierten Rechte von Kindern und Jugendlichen eintreten wird.